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Schatten der Liebe

Wenn die Liebe Schicksal ist

Ein sonniger Frühlingsmorgen erwacht. Ich schau aus dem weit geöffneten Fenster und ziehe kräftige Atemzüge der frischen Morgenluft in meinen Körper. Während ich die Augen schließe, stelle ich mir vor, wie einfach so ein Körper zu funktionieren mag: man pumpt frische Luft in ihn hinein und alles scheint sich auf null zurück zu stellen. Wie gern hätte ich das jetzt auch mit mir gemacht.  Minutenlang bin ich in Gedanken versunken der Mensch, für den ich mich jahrelang hielt. Was war passiert? Warum war ich nicht jener Mensch geblieben, der ich glaubte zu sein? 

Erst das Glockenläuten holt mich aus meinen Gedanken. Die Pflicht ruft mich zurück in die Gegenwart. Ich öffne meine Augen und schaue gen Himmel. Die Sonne schiebt sich gerade über den Horizont unaufhörlich weiter empor.

Sie verblendet mir den Blick zu den Wolken. Ich kneife die Augen zusammen und wende dann doch meinen Blick ab vom Himmel.

 

In das Zimmer blickend, erkenne ich nur die Konturen des spärlichen Mobiliars. Trotzdem gehe ich in den noch dunklen Raum und versuche nicht irgendwo gegenzulaufen. Mehr und mehr erkenne ich nun alles im Zimmer wieder. Endlich am Tisch angekommen setze ich mich kurz auf einen der sehr betagten Stühle vor mir hin. Auch an diesem Tisch nagte der Zahn der Zeit unaufhörlich. Irgendwie fühlte ich mich wie so ein Tisch. Er ist alt und verschlissen. "Der hatte wohl auch schon bessere Zeiten." denke ich und überlege, warum muss früher, oder im jungen Alter, alles besser gewesen sein? Oft bringt doch erst das Alter eine gewisse Erfahrung und eine andere Sicht auf die Dinge des Lebens mit sich. Und das kann sich doch auch besser anfühlen als früher.

Während ich schnell versuche mir noch einen Tabak zu drehen, schau ich auf meine vergilbten Finger, die auch schon deutlich gealtert sind. "Ich muss damit aufhören", sage ich zu mir. Gesagt, getan, öffne ich die hakende Tischschublade, um den Tabak dort erstmal zu verstauen. Da fällt mir ein leeres Blatt Papier auf, was auf den Boden der Schublade liegt. Ich lege den Tabak beiseite und ziehe den Papierbogen heraus und lege ihn auf den Tisch vor mir. In der Schublade krame ich erfolgreich nach einem Stift. Irgendwie überkommt mich der Sinn, etwas aufzuschreiben. Noch ehe ich einen Gedanken fasse, was ich aufschreibe, fängt meine Hand an, loszuschreiben. Etwas verwundert blicke ich nun auf das Blatt und sehe nur zwei Wörter darauf. Ein Zucken durchfährt meinen gesamten Körper, so dass mir der Stift aus der Hand fallen lässt. Auf dem Blatt steht: "Liebe Katharina". Der Name meiner Frau. Unzählige Briefe fallen mir ein, die allesamt so begannen. Es ist, als wollte ich ihr jetzt einen Brief schreiben. Oder sollte ich ihr einen Brief schreiben? Völlig unschlüssig verharre ich in der Situation und starre weiter auf die Worte. Mein Atem wird schwerer und in meiner Brust spüre ich Hitzewallungen, die mein Herz mit aller Kraft nach außen pumpen will. Es ist, als ob ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch steht. Ich möchte zum Fenster rennen, um frische kühle Luft einzuatmen. Doch irgendetwas hält mich wie gefesselt an diesen Tisch. Mit dem Versuch ruhig zu bleiben, greife ich den Stift und zeige ihm, dass ich weiterschreiben möchte. Meine Hand zittert samt dem umklammerten Stift. Wieder zögere ich. Warum sollte ich jetzt einen Brief schreiben?

Da höre ich Schritte aus dem Gang, die näher kommen und vor meiner Tür mit einem leisen Klopfen enden. Langsam öffnet sich knarzend die Tür und ein hageres Köpfchen schaut zu mir ins Zimmer. Mit leiser, aber etwas hektischer Stimme sagt er: »Es ist Zeit, wir sollten schon in der Kapelle sein!«. Es ist Nikolai. 

Nikolai stammt aus Russland, genau genommen aus einem kleinen Bauerndorf, in der Nähe des Baikalsees, im kaltem Sibirien.

Nervös tippt er sich mit dem Zeigefinger auf seinen Arm, als wolle er auf seine Uhr zeigen. Doch so etwas hat er nicht mehr um. Es ist eher eine Geste, um mich an die Uhrzeit zu erinnern.

Ich schaue kurz zu ihm und möchte aufstehen. Doch ich sitze wie versteinert auf dem Stuhl. Noch immer krampfen sich meine Finger fest um den Stift.

Nun fällt auch Nikolai das Blatt auf dem Tisch auf. Er runzelt unverständlich die Stirn und sieht mich fragend an, als wolle er wissen, was um alles in der Welt es nun wichtiges aufzuschreiben gibt. Mit einem leichten Kopfschütteln gebe ich ihm zu verstehen, dass ich nicht mit ihm mitkommen werde. »Lass mich den noch kurz schreiben. Der ist wichtig. Sehr wichtig.« stammele ich Nikolai zu und hoffe, dass er es verstehen wird. Er schaut mich prüfend an, als ob er versucht herauszufinden, ob ich krank sei oder etwas verberge. Schließlich zieht er seinen Kopf wieder aus der Tür und ruft schon halb aus dem Gang: »Wir sehen uns dann später.« Eilig schließt er meine Tür und ich höre, wie seine schnellen Schritte leiser werden. Was war das? Wieso habe ich nicht das Blatt zurückgelegt und bin eiligst in die Kapelle mitgelaufen? Das ist mir zum ersten Mal passiert. Wieder versuche ich zu verstehen, warum ich und vor allem was ich schreiben soll.

Völlig in Gedanken versunken denke ich an Katharina, meine Frau. Zurück an die Zeit, wo ich sie kennenlernte. Oder, besser noch, wie ich in ihr Leben trat.

Sie hatte mein bis dahin beschauliches Dasein vollkommen umgekrempelt. Ich erinnere mich genau an ihre Augen. Sie fingen mich sofort in ihren Bann. Wie sie mich damals zum ersten Mal geküsst hatte, war ich wie verwandelt. 

Auch jetzt noch sitze ich wie verwandelt hier und weiß nicht so recht warum.

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